Die Kirchen waren die treibende Kraft der DDR-Friedensbewegung. Welche theologischen Grundgedanke waren damals stark? Über diese Fragen denken wir im OekIf zurzeit nach. Wahrscheinlich gibt es demnächst eine Veranstaltung zu diesem Thema.

 

2022: „Keine Gewalt – Friedliche Revolution und der Weg der Gewaltlosigkeit“ Eine digitale Ausstellung: www.keinegewalt.com

„Keine Gewalt – Friedliche Revolution und der Weg der Gewaltlosigkeit“ ist eine digitale Ausstellung, die von einem ökumenisch zusammengesetzten Kreis von Zeitzeugen und Protagonisten der Friedlichen Revolution konzipiert und erarbeitet wurde. Die Ausstellung erinnert an den Mut und die Courage der Menschen vor und während der Friedlichen Revolution und würdigt die Rolle der Kirchen, aus deren Mitte die Demokratiebewegung zunehmend selbstbewusster in die Gesellschaft hineinwirkte. Anhand ausgewählter zeithistorischer und ideengeschichtlicher Zusammenhänge zeichnet sie wichtige Motive und Impulse des emanzipatorischen Handelns nach. Die Ausstellung gliedert sich in zwei Teile, die, obwohl eng miteinander verwoben, doch auch jeweils für sich stehen. Der erste Teil handelt von der Friedlichen Revolution, von der Rolle der Kirchen in der DDR-Gesellschaft, von den unterschiedlichen Akteuren und Schauplätzen der Revolution und von dem schwierigen Weg der gesellschaftlichen Neuordnung bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Der zweite Teil greift das Thema der Gewaltlosigkeit auf. Der Ruf „Keine Gewalt“, der bei Demonstrationen angesichts massiver Polizeigewalt auf der Straße erscholl, diente auch der gegenseitigen Selbstverpflichtung für gewaltfreies Handeln. Dieser Ausstellungsteil spannt einen Bogen von der Bergpredigt Jesu, über Gandhi und Martin Luther King bis in die Gegenwart und zeigt, wie die Idee des gewaltlosen Widerstandes in kirchlichen und oppositionellen Kreisen in der DDR Konsens war. Die Internet-Ausstellung lebt nicht zuletzt durch eine große Zahl an Zeitzeugen-Interviews. Außerdem enthält sie, neben zahlreichen Abbildungen, auch besondere historische Dokumente, wie z. B. den erst 2019 aufgefundenen Brief von Dietrich Bonhoeffer an Mahatma Gandhi oder den Mitschnitt der Predigt von Martin Luther King bei seinem Besuch in Ostberlin. Die Autorinnen und Autoren sind überzeugt, dass die historische Erfahrung des gewaltfreien Widerstands in der Friedlichen Revolution von 1989 noch heute von großer Aktualität ist. In der Zusammenschau mit Erfahrungen, die rund um den Globus mit Gewaltlosigkeit gemacht wurden, gibt sie Anregungen für das Bewältigen gegenwärtiger gesellschaftlicher Herausforderungen und Konflikte. 

Förderer: Kooperationspartner: Bundesstiftung Aufarbeitung, Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Robert Havemann Gesellschaft Archiv der DDR-Opposition. Kontakt: ÖAK c/o Katharina Jany, Cantianstr. 12, 10437 Berlin, Tel.: 030 4495854, E-Mail: info@oeak.de www.oeak.de

 

Barbara und Eberhard Bürger, Magdeburg: Friedensarbeit der Kirchen in der DDR – auszurangierendes Erbe oder Zukunfts-Ressource? Impuls 1 aus den Werkstatt-Tagen in Magdeburg 

Liebe Leser*in,

vom 13. Werkstatt-Tag der Regionalgruppe Magdeburg am 23. 10. 2021 gibt es zu erzählen und wir würden uns freuen, wenn Du uns auf dem Weg mit begleitest. Die Teilnehmenden kamen aus Erfurt, Halle, Neinstedt und Magdeburg zusammen.  Der katholische Theologe Joachim Garstecki, 1974 – 1990 Referent für Friedensfragen in der Theologischen Studienabteilung des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR (BEK), hielt das Einführungsreferat. Die 12 Teilnehmer*innen spürten dann mit eigenen Erinnerungen und Originaltexten dem DDR-Erbe nach. Der Tag hat uns derart viele Impulse mitgegeben, dass die Idee entstand, diesen Impulsen in 5 Folgen nachzuspüren und sie mit Euch in der „Versöhnung“ zu teilen. Heute also ein 1. Impuls, sozusagen ein Überblick über das Erbe.

Vom Weg der Kirchen der DDR zur Kirche des Friedens

Waren die evangelischen Landeskirchen der DDR zunächst noch stärker mit der EKD verbunden und nur in der Konferenz der Kirchenleitungen zusammengeschlossen, so änderte sich das nach 1968. Die neue Verfassung der DDR beabsichtigte u.a., diese Verbindung zu unterbrechen. 1969 wurde der BEK gegründet, in dem die sehr unterschiedlichen Landeskirchen zusammenwuchsen und mehr und mehr zu gemeinsamen Positionen fanden. Anregungen dafür kamen auch aus der weltweiten Ökumene. Die Friedensarbeit der DDR-Kirchen ist also weder die erste noch die einzige gewesen, sondern hat auch sehr von ihrer Einbindung in die Ökumene gelebt und Kontakte zu Kirchen der BRD behalten. Hier seien einige bedeutsame Stationen benannt: 

 

>Der spannungsvolle und fruchtbare Weg der evangelischen Kirchen mit den Basisgruppen (Friedens-, Umwelt-, Menschenrechtsgruppen…) begann in den 60iger Jahren. Basisgruppen melden sich immer wieder zu Wort.

1964: Einführung des Wehrdienstes in der DDR. Zunehmend verweigern auch Christen den Wehrdienst, 

 

>1964 Baueinheiten werden als staatlicher Versuch eingerichtet, die Verweigerer zu isolieren. Stattdessen gingen von ihnen entscheidende Impulse der christlichen Friedensarbeit aus (Friedensseminare z.B. Rudolf Albrecht; Entscheidungshilfen und Begleitung neue Bausoldaten). Die Baueinheiten gab es nur in der DDR.

 

>1965 Handreichung der evangelischen Kirche für die Seelsorge an Wehrpflichtigen:

Verweigerung (Baueinheiten und Totalverweigerer) geben „ein deutlicheres Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebots unseres Herrn“.  Wir als Kirche erkennen sie als unsere Zeugen vor Ort an und begleiten sie genauso wie die Totalverweigerer.

 

> 1969, ein Jahr nach dem Inkrafttreten der neuen Verfassung der DDR mit dem Versuch, die Ost-Kirchen von der EKD zu trennen, schließen sich die Landeskirchen der DDR zum BEK zusammen. Einerseits werden die Landeskirchen von der EKD weiter finanziell unterstützt. Andererseits gehen sie seit dieser Zeit noch mehr als vorher schon eigene Wege, vor allem in Fragen des Friedens. 

>1974 Menschenrechtsfragen auf der kirchlichen Tagesordnung des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR. 

1975 wird die Schlussakte der KSZE in Helsinki unterzeichnet, die es auch in der DDR ermöglichte, Menschenrechtsfragen zu thematisieren. 

 

>1978 Widerspruch der evangelischen Kirchen gegen die obligatorische Einführung des Wehrunterrichtes an Schulen

>1980 Beginn der Ökumenischen Friedensdekaden (10 Tage im November) inm Kontakt mit den Kirchen der BRD.

 

>Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche wegen der Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“. Jugendliche tragen das Friedenssymbol massenhaft und fordern damit die staatliche Gewalt zum Eingreifen heraus.

 

>1982 Halle:“ Frieden – Zusage und Aufgabe“ – Ein Pazifismus-Papier des Bundes Evangelischer Kirchen in der DDR zur Frage, was Kirche vom Pazifismus (u.a. Versöhnungsbund) lernen kann.

 

>1982 Leitfaden zur Seelsorge in Fragen des Wehrdienstes der evangelischen Kirchen, der die Position von 1965 aufnimmt und weiterführt. 

 

>1982 erstmals „Absage an Logik und Praxis der Abschreckung“ als öffentliche Stellungnahme des Bundes.

>1983 Synode in Potsdam: Friedensverantwortung und „status confessionis“: Damit wird klar, dass Frieden kein Thema unter anderen ist, sondern zur entscheidenden Frage für die Zukunft und  deshalb als Frage des christlichen Bekenntnisses gesehen wird. „Gemeinsame Sicherheit“ im Sinne von Olof-Palme, schwedischer Ministerpräsident, wird als Forderung für eine lebbare Zukunft erhoben.

>1984: Synode in Greifswald: Christliche Verantwortung für die Schöpfung. Umweltfragen galten in der DDR als Privileg der SED und durften nur von ihr angesprochen und entschieden werden. 

 

>1986: Synode Erfurt: Wehrdienstverweigerer, Ökumenische Versammlung, Friedensfragen auf der Tagesordnung.

 

>1987 Synode in Görlitz: „Bekennen in der Friedensfrage“. Von Glauben und Theologie aus werden „Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung“ und „Gemeinsame Sicherheit“ als gemeinsames Bekenntnis der evangelischen Kirchen entfaltet und veröffentlicht. 

 

>30. April 1989 Dokumente der Ökumenischen Versammlung 1988/89 in Dresden-Magdeburg-Dresden werden veröffentlicht. Darin nehmen alle 19 Kirchen und kirchlichen Vereinigungen zusammen mit Basisgruppen (25% der Teilnehmenden) die o.g. zentralen Friedenspositionen auf und weiten sie auf die Fragen nach Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung aus. Dieser sog. Konziliare Prozess besagt, dass Christen seither ihre Mitverantwortung für diese gesellschaftlichen Prozesse erkennen, beschreiben und wahrnehmen – und damit jeweils das Ausschließlichkeitsmonopol des Staates dafür beenden.

 

>Im Mai 1989 veröffentlicht der Bund Evangelischer Kirchen eine Neuinterpretation des Augsburgischen Bekenntnisses von 1530, Artikel 16 (CA 16) in dem die gesellschaftliche Aufgabe der Christen im Sinne der Ökumenischen Versammlung beschrieben wird. Darin kommt einerseits die aktuelle Bedeutung der gesellschaftlichen Verantwortung von Christen zur Sprache und andererseits die Absage an die lutherischen Schwerpunkte, dass Christen „rechtmäßig Kriege führen, in ihnen mitstreiten“ usw. können. 

> 1989, Juli, Erklärung der Kammer der EKD für Öffentliche Verantwortung in ihrer Reihe EKD-Texte 29: „Wehrdienst oder Kriegsdienstverweigerung? Anmerkungen zur Situation des Christen im Atomzeitalter“. Darin erteilt sie einem Schwerpunkt der DDR-Friedensarbeit , nach dem Verweigerung des Wehrdienstes als Totalverweigerer oder Bausoldaten „ein deutlicheres Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebots unseres Herrn“ sind, für ihren Bereich eine Absage. Die EKD fordert die Gleichberechtigung von Wehrdienst und Zivildienst als Friedensdienst ein. Der Politik wird für die Entscheidung ein großer Stellenwert eingeräumt. Anlass für die Schrift sind die Beschlüssen von 2 Landessynoden (Westfalen und Rheinland) sowie die Erklärung von 16 Hamburger Hochschullehrern, die sinngemäß den DDR-Kirchenbeschluss übernahmen. 

>August 1989: Brief der Konferenz der Kirchenleitungen in der DDR an die Gemeinden, verfasst von Bischof Dr. Demke, Magdeburg, darf „nur zum innerkirchlichen Dienstgebrauch“ kopiert oder bei Abkündigungen verlesen werden. Er geht den 3 Fragen nach: 

Wo stehen wir heute? 

Was muss sich ändern? 

Was soll beibehalten werden?

Unter der Hand weitflächig verteilt, bildet der Brief eine wesentliche Grundlage für Gespräche und Orientierungen in Gemeinden und über sie hinaus. 

 

>Während der Friedlichen Revolution im Herbst und Winter 1989 sind viele Menschen, darunter oft Christen und Kirchen, geistesgegenwärtig: Mit Veröffentlichungen bringen sie Gespräche in Gang, mit ihren Protesten gegen staatliche Gewalt machen sie Unrecht öffentlich, mit ihrem persönlichen Engagement, ihren offenen Kirchen und Friedensgebeten, mit Gebeten und Kerzen und „Keine Gewalt!“ geben sie der Revolution ihre gewaltfreie Ausrichtung.

Stellvertretend übernehmen sie Rollen für offene Versammlung, runde Tische, Praxis der Meinungsfreiheit, aktive Gewaltfreiheit, Kanäle für neue Initiativen und Parteiengründungen…

> 15. – 19. September 1989 Synode Eisenach: u.a. demokratische Reformen, Reisefreiheit, Recht auf Demonstrationen eingefordert.

> Nach der Öffnung der Grenzen bringen viele Christen ihre Erfahrungen mit Demokratie und schwierigen Übergängen ein, um einen geordneten Übergang in neue gesellschaftliche Wege zu gestalten.

> 1991 wird der BEK in die EKD übernommen. Die evangelischen Ost-Landeskirchen werden von der EKD sehr stark finanziell unterstützt. Die Friedensarbeit der DDR-Kirchen wird ebenso wie andere Bereiche als beendet angesehen und archiviert.

Joachim Garstecki war bereits Ende 1990 entlassen worden, da ein katholischer Theologe nicht in einem EKD-Leitungsteam mitarbeiten dürfe. 

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Hier noch eine Auswahl wichtiger Anstöße der EKD zu gesellschaftlichen Debatten 

1959 Heidelberger Thesen

1965 Ost-Denkschrift

1981 Friedensdenkschrift

1985 Demokratie-Denkschrift

1989, Juli, Erklärung der Kammer der EKD für Öffentliche Verantwortung in ihrer Reihe EKD-Texte 29: „Wehrdienst oder Kriegsdienstverweigerung? Anmerkungen zur Situation des Christen im Atomzeitalter“.

1997 ökumenisches Sozialwort

2007 Friedensdenkschrift

2014 zu Afghanistan zwei unterschiedliche Voten

2019 Synode der EKD in Dresden zur Friedensfrage

 

1982 Erklärung des Moderamens (Vorstand der Synode) des Reformierten Bundes in der BRD: „Das Bekenntnis zu Jesus Christus und die Friedensverantwortung der Kirche“

Die „‘Ausgewogenheit“, Zweideutigkeit und Unentschlossenheit der EKD“ inmitten des kalten Krieges und der Stationierung atomarer Massenvernichtungsmittel haben den Reformierten Bund der BRD zu dieser Erklärung herausgefordert. Frieden wird für die Reformierten zur „Bekenntnisfrage“, Abrüstung und zivile Konfliktlösungen werden Überlebensfragen. 

Liebe Leser*in, wenn Du bis hierher gefolgt sein solltest, dann hast Du einen Überblick über das Erbe der kirchlichen Friedensarbeit in der DDR sowie einige Zusammenhänge bekommen, das so sonst kaum zu finden ist. Wenn in den weiteren Folgen einzelne Themen dieses Erbes bedacht werden, dann wird Dir eine Einordnung gut möglich sein. 

 

Barbara und Eberhard Bürger
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Friedensarbeit der Kirchen in der DDR – auszurangierendes Erbe oder Zukunfts-Ressource? Impuls 2 

 

Liebe Leser*in,

vom 13. Werkstatt-Tag der Regionalgruppe Magdeburg am 23. 10. 2021 gibt es weiter zu erzählen und wir würden uns freuen, wenn Du uns auf dem Weg mit begleitest. 

Am 6. November 1965 hat die Evangelische Kirche in der DDR, vertreten durch die Kirchenleitungen, eine Handreichung (HR) für Seelsorge an Wehrpflichtigen unter dem Titel „Zum Friedensdienst der Kirche“ herausgegeben. Die darin enthaltene Botschaft ist zu einem „Schlüsseltext“ für die Kirchen der DDR geworden, der in Variationen wiederkehrt. 

 

Aus welchem Anlass entstand die HR?

Nach der Einrichtung der Wehrpflicht in der DDR 1962 hat eine beträchtliche Anzahl junger Männer den Wehrdienst trotz Strafandrohung verweigert. Daraufhin sah sich die DDR-Führung genötigt, 1964 für sie einen waffenlosen Wehrdienst bei den Baueinheiten der Nationalen Volksarmee zu schaffen. Viele Bausoldaten lehnten den zu leistenden Eid ebenso ab wie die Arbeit an rein militärischen Projekten. Manche wurden verhaftet, andere hatten kleine Erfolge. Die Totalverweigerer lehnten auch die Baueinheiten ab und ein Teil von ihnen kam in Haft. Einige wurden gegen ihren Willen ausgebürgert. Das war der Anlass für die evangelischen Kirchen, „sich neu auf das ihr gebotene Friedenszeugnis zu besinnen“.“

 

Was ist der Inhalt der HR?

Ökumenischer Weg und theologische Erkenntnis der Kirche (Teil 1)werden beschrieben: Ausgehend vom Friedensbund Gottes wird gefragt, was die Kirche für den Frieden tun kann und kommt auf den prophetischen Auftrag der Kirche zu sprechen.

„Zur Sendung der Gemeinde gehört der prophetische Auftrag, die Zeichen der Zeit zu erkennen, ideologische Denkschemata und traditionalistische Gebundenheiten, die der sich wandelnden Weltwirklichkeit nicht gerecht werden, abzubauen und ein neues politisches und soziales Ethos zu entwickeln und vorzuleben, das in den geschichtlichen Wandlungen der Menschheit zu besserem Miteinanderleben hilft. So wird sich christlicher Friedensdienst heute z. B. für eine bessere internationale Friedensordnung einsetzen, die das Überkommene, am Nationalstaat oder an ideologischen Blöcken orientierte Machtdenken ablösen kann. Auch wird die Kirche in ihrer theologisch-ethischen Besinnung und Belehrung der Gewaltlosigkeit als Möglichkeit zur nichtmilitärischen Erreichung von politischen und sozialen Zielen größere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben. Denn Gewaltlosigkeit kann in konkreten Situationen die dem Christen einzig gebotene Handlungsweise sein.“

Die Handreichung setzt sich dann mit der Frage auseinander, ob angesichts der Atomwaffen, die den jeweiligen Gegner von ihrem Einsatz abschrecken sollen, der Dienst in der Armee auch als eine „komplementäre“ Form des dem Christen gebotenen Friedensdienstes angesehen werden kann.

 

In der „Situationsklärung“ (Teil 2) wird verdeutlicht: Wenn der Frieden das höchste Gut ist, kann atomare Abschreckung nicht dazu beitragen. 

Als Denk- und Handlungszwänge werden genannt: a) Jede abschreckungsfähige Armee braucht den letzten Einsatz ihrer Angehörigen für ihre eigenen Ordnungen, die dann anstelle des Friedens zu „höchsten Gütern“ werden. b) Sie kann das nur erreichen, wenn sie die Gegner zu verabscheuungswürdigen Verbrechern macht durch „Einschulung in das ein Freund-Feind-Denken) und c) durch eine „Propagandasprache“, die „die Beteiligung an Massenmord“ verdeckt und technische und sportliche Interessen missbraucht.

Die HR folgert daraus: „Es wird nicht gesagt werden können, daß das Friedenszeugnis der Kirche in allen drei der heute in der DDR gefällten Entscheidungen junger Christen in gleicher Deutlichkeit Gestalt angenommen hat. Vielmehr geben die Verweigerer, die im Straflager für ihren Gehorsam mit persönlichem Freiheitsverlust leidend bezahlen und auch die Bausoldaten, welche die Last nicht abreißender Gewissensfragen und Situationsentscheidungen übernehmen, ein deutlicheres Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebots unseres Herrn. Aus ihrem Tun redet die Freiheit der Christen von den politischen Zwängen. Es bezeugt den wirklichen und wirksamen Friedensbund Gottes mitten unter uns. 

Im 3. Teil der HR „Aufgaben der Kirche gegenüber dem Staat“ geht es zuerst um das „Zeugnis vom Frieden in Predigt und Unterweisung“. Da heißt es u.a.: „Dieses Zeugnis ist aber nur echt, wenn Christen und Kirchen untereinander und mit der Welt nach den Weisungen der Bergpredigt umgehen, also auf alles Freund-Feind-Denken, auf Rechthaberei, Lieblosigkeit, Heuchelei, Selbstbehauptung und „kalten Krieg“ verzichten, zur Demütigung und zum Leiden bereit sind und sich bemühen, den zu achten, der einen anderen Weg geht, auf ihn zu hören und seine Entscheidungen ernst zu nehmen.“

„Das öffentliche Friedenszeugnis, das die Welt zum Aufhorchen und Nachdenken bringt, ist aber nicht nur das der Gesamtkirche in ihren offiziellen Stellungnahmen und der Verkündigung, sondern ebenso das der Gehorsamsentscheidungen, welche die einzelnen Glieder der Kirche fällen. Außer der Wehrdienstverweigerung ist hier zu nennen: die Verweigerung ziviler Mitarbeit an militärischen Objekten und die Verweigerung vormilitärischer Ausbildung.“

„Die Kirche muss mit ihrem Zeugnis den Staat auf die Gefahren des Wettrüstens und der Hasspropaganda hinweisen, die unmittelbar die Entwicklung zum bewaffneten Konflikt fördern und sie muss ihn mahnen, ständig um die Errichtung einer internationalen Friedensordnung bemüht zu sein.“ Und „Die Kirche hat aber auch für die einzelnen bedrängten Gewissen gegenüber dem Staat einzutreten und im konkreten Einzelfall dem Gemeindeglied, dessen Entscheidung zugleich Zeugnis der Kirche ist, zur Seite zu stehen.“

Was sind die Eckpunkte?

- Es geht um das Friedenszeugnis der Kirche, nicht nur um das des Einzelnen. 

- Kirche stellt sich ganz auf die Seite derer, die den Weg der Gewaltfreiheit gehen.

- Menschen nehmen Nachteile und Leiden für dieses Zeugnis auf sich.

- Es geht um das Zeugnis für das gegenwärtige Friedensgebot unseres Herrn.

- Es ist geboren aus und verbunden mit der Freiheit der Christen von den politischen Zwängen. 

- Dieses Zeugnis, nicht das der Soldaten, bezeugt den wirklichen und wirksamen Friedensbund Gottes mitten unter uns. 

Dieses Zeugnis wurde 1987 aus der Bundessynode der Evangelischen Kirche in der DDR und 1988/89 in der Ökumenischen Versammlung aller Kirchen der DDR bekräftigt und erweitert. 

 

Wirkungen der HR

> Zunächst wirkte die HR als eine klare Distanzierung vom staatlichen Absolutheitsanspruch in Friedensfragen und als Eröffnung eines eigenständigen Weges aus christlichem Glauben. 

Damit war die Konfrontation mit dem Staat vorprogrammiert. Die HR durfte ohnehin „nur zum innerkirchlichen Dienstgebrauch“ hektografiert und nicht öffentlich verbreitet werden. 

Doch: Die Verweigerung des Militärdienstes und der Friedensdienst von Christen, verbunden mit Behinderungen, sind „ein deutlicheres Zeugnis des gegenwärtigen Friedensgebots unseres Herrn“ und sind zugleich das Friedenszeugnis der Kirche.

Das war und blieb der Kern, der „rote Faden“ der kirchlichen Friedensarbeit in der DDR bis 1990

 

> In der praktischen Wirkung auf die Gemeinden blieb die HR begrenzt. D.h. es hing immer von den kirchlichen Mitarbeitenden ab, ob junge Männer in diesem Sinn beraten und mit ihnen Kontakt gehalten wurde. Das Evangelische Jungmännerwerk Thüringen, in dem ich seit 1966 mitarbeitete, gab Entscheidungshilfen für Junge Gemeinden heraus, organisierte Treffen und hielt Kontakte zu Soldaten, Bausoldaten und Totalverweigerern. Wir hörten jedoch auch von verschiedenen jungen Männern, die damals Beratung gebraucht hätten, dass sie sich eher allein gelassen gefühlt haben. 

 

> Im Juli 1989 lehnte die EKD die Haltung der Evangelischen Kirchen in der DDR in einer eigenen Schrift ab. Was hat die EKD veranlasst, durch ihre „Kammer für Öffentliche Verantwortung“ die Schrift herauszubringen „Wehrdienst oder Kriegsdienstverweigerung? Anmerkungen zur Situation des Christen im Atomzeitalter“, EKD-Texte 29? 

Anlass war, dass die Synoden von Westfalen und dem Rheinland sowie 16 Hamburger Hochschullehrer die DDR- Kirchen-Argumentation übernommen haben. 

„Zeiten des Wandels sind immer auch Zeiten besonderer Gefährdung.“ (2) Mich hat nur verwundert, dass die EKD die Gefährdung in der Entscheidung der o.g. Kirchen sieht und nicht in der atomaren Rüstung, nicht in der weitergehenden Aufrüstung und den Rüstungsexporten. - Das eigentliche Ziel der Schrift: Kriegsdienst und Zivildienst sind als ethische Entscheidungen grundsätzlich gleichwertig! Jeder muss sie selbst verantworten. 

Während die DDR-Kirchen auf klare Distanz zum Staat gegangen sind, orientiert sich die EKD maßgeblich mit an der je aktuellen Politik der BRD. Die Positionen der DDR-Kirchen werden verworfen, ohne widerlegt zu werden. Wir vom Werkstatt-Tag konnten uns nicht damit abfinden, dass sie mit der Zusammenlegung von BEK und EKD zu Grabe getragen und archiviert worden sind. Uns inspirieren sie heute weiter. Und vielleicht zündet ja auch in der EKD ein Funke neu? Diese Hoffnung geben wir nicht auf! 

Vielen Dank für Deine Aufmerksamkeit.

Magdeburg, den 22. 11. 2021 Barbara und Eberhard Bürger

 

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„Friedensarbeit der Kirchen in der DDR – auszurangierendes Erbe oder Zukunfts-Ressource?“   (Impuls 3)    so lautete das Thema der 13.Friedenswerkstatt am 23. 10. 2021 in Magdeburg, Hoffnungsgemeinde.

 

In der 3. Folge zu diesem Erbe wird der Beschluss der Bundessynode von 1987 im Wortlaut dokumentiert, damit sich jede*r ein eigenes Bild machen kann.  Anschließend soll ein kurzer Kommentar noch zur Einordnung verhelfen. Zunächst das Abschlussdokument der Synode, des obersten Gremiums der evangelischen Kirchen in der DDR aus Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen.

Der Bund Evangelischer Kirchen - Beschluss der Synode des Bundes der Ev. Kirchen in der DDR zum „Bekennen in der Friedensfrage“ vom 22. September 1987

 

„Im Gehorsam gegen den dreieinigen Gott haben wir unsere Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung ausgesprochen. Für unser Bekennen, für unsere Orientierung, für unser Handeln heißt dies: 

 

I. Wir bekennen: Gottes Liebe gilt ohne Unterschied allen Menschen. Gott stellt sich insbesondere an die Seite der Schwachen und Geschlagenen.

Daraus folgt: Kein Mensch und kein Staat darf seine Sicherheit und Freiheit über die anderer stellen und Menschen zu Geiseln machen, die seine Sicherheit und Freiheit garantieren sollen. Der Geist der Abschreckung aber steht im Widerspruch zum Geist Gottes.

- Er erhebt die eigene Sicherheit zu einem Götzen, für den man bereit ist, Menschen millionenfach zu opfern und das Leben des Planeten aufs Spiel zu setzen.

- Er traut den Menschen tatsächlich die Unmenschlichkeit zu, andere Menschen massenhaft zu vernichten.

- Er zwingt zum Freund-Feind-Denken anstelle von Völkerverständigung und Zusammenarbeit.

- Er setzt auf die Macht des Stärkeren, nicht nur im Ost-West-Konflikt, sondern auch im Konflikt zwischen Nord und Süd.

Weil wir Gott, den Herrn, bekennen, widersprechen wir dem Geist der Abschreckung.

Auch wir sind in diesem Geist gefangen. Wir bitten, dass Gott uns davon befreit.

Wir bekennen: Gott befreit uns durch Christus aus der Knechtschaft der Angst, die eine Folge der Sünde ist. Er befreit von Abhängigkeit und Unterdrückung. 

Daraus folgt: Kein Mensch und kein Staat darf durch Drohung mit Massenvernichtungsmitteln Angst und Abhängigkeitsverhältnisse schaffen, um sich so seinen Frieden zu erkaufen und Macht auszuüben.

Die Logik der Abschreckung aber steht im Widerspruch zum Versöhnungshandeln Christi.

- Sie zwingt trotz aller ethischen Proteste und vernünftigen Einsichten zum Wettrüsten, damit jede Seite sich wenigstens so stark fühlt, dass sie zurückschlagen kann.

- Sie will auch im schlimmsten möglichen Fall sicher sein. Sie verspielt damit die Chancen der Verständigung. Sie vernichtet, was sie zu schützen vorgibt: Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

- Sie sucht die eigene Sicherheit, indem sie Angst verbreitet.

- Sie hält die armen Länder in Abhängigkeit, damit sie die Balance der Reichen nicht stören.

Weil wir Christus nachfolgen, widersprechen wir der Logik der Abschreckung.

Auch wir erliegen dieser Logik. Wir bitten, dass Christus uns auf seinen Weg führt.

Wir bekennen: Gott schenkt uns mit Christus seine Gerechtigkeit. Er will, dass sie das Miteinander der Menschen bestimmt. Er will, dass wir mit den anderen teilen, statt sie zu beherrschen.

Daraus folgt: Kein Mensch und kein Staat darf das Zusammenleben der Menschen durch Geist und Logik der Abschreckung vergiften, sie zu Mitteln der Politik machen und damit die Wege zur Gerechtigkeit verbauen.

Die Praxis der Abschreckung aber steht im Widerspruch zur Gerechtigkeit Gottes.

- Sie räumt militärischen Sicherheitsüberlegungen den Vorrang vor der Gestaltung eines gerechten Zusammenlebens der Menschen ein.

- Sie führt zu einer Militarisierung des Lebens und Denkens von Kindergarten und Schule bis hin zur Weltwirtschaft und Wissenschaft.

- Sie vergeudet die materiellen und geistigen Schätze der Menschheit. Sie verschärft die Ausbeutung der armen Länder durch die Industrienationen.

- Sie tötet schon heute durch Hunger und Verelendung auch ohne Krieg.

Weil wir dem Geist Gottes folgen, widersprechen wir der Praxis der Abschreckung. 

Auch wir sind in diese Praxis verwickelt. Wir bitten, dass Gott uns jeden Tag so viel Einsicht und Kraft gibt, wie wir brauchen.

 

II. In einer Welt mit Massenvernichtungsmitteln gibt es keine gerechten Kriege mehr.

Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein. Die Aufgabe des Staates, für Recht und Frieden zu sorgen, kann heute nicht mehr wahrgenommen werden durch ein Sicherheitssystem, das auf Abschreckung beruht, in dem Armeen über Massenvernichtungsmittel verfügen und in der Lage sind, andere anzugreifen.

Diese Aufgabe erfordert vielmehr die Entwicklung eines Systems „Gemeinsamer Sicherheit“, das auf Vertrauensbildung beruht. Das System „Gemeinsame Sicherheit“ bahnt politische Wege der Konfliktregelung. Es schließt die Entwicklung struktureller Nichtangriffsfähigkeit durch Abrüstung auf allen Ebenen und Umrüstung auf defensive Waffenrüstungen ein. Es zielt auf Gerechtigkeit gegenüber den armgemachten Völkern. Nur im Rahmen eines solchen Konzeptes ist militärische Verteidigungsbereitschaft noch zu rechtfertigen.

In dieser Situation setzt sich die Kirche für gewaltfreie Förderung und Sicherung des Friedens ein. Jeder Christ, der vor die Frage des Wehrdienstes gestellt ist, muss prüfen, ob seine Entscheidung mit dem Evangelium des Friedens zu vereinbaren ist. Wer heute als Christ das Wagnis eingeht, in einer Armee Dienst mit der Waffe zu tun, muss bedenken, ob und wie er damit der Verringerung und Verhinderung der Gewalt und dem Aufbau einer internationalen Ordnung des Friedens und der Gerechtigkeit dient. Die Kirche sieht in der Entscheidung von Christen, den Waffendienst oder den Wehrdienst überhaupt zu verweigern, einen Ausdruck des Glaubensgehorsams, der auf den Weg des Friedens führt.

Weil wir Gott als Herrn bekennen, sind wir alle herausgefordert, durch deutliche Schritte zu zeigen, dass Einsatz, Besitz und Produktion von Massenvernichtungsmitteln unserem Glauben widersprechen.

Unsere praktischen Schritte müssen so vielfältig und konkret sein, wie das Überleben der Menschheit vielfältig und konkret bedroht ist.

III. Wir nennen heute beispielhaft die folgenden Schritte und bitten die Gemeinden, diese Schritte weiter zu konkretisieren und zu ergänzen.

1. Weil der jetzt zu erwartende Abbau von Mittelstreckenraketen ein ermutigender Anfang der Abrüstung ist, setzen wir uns nun umso mehr für den weiteren Abbau der Atomwaffen, die Schaffung atomwaffenfreier Zonen, das Verbot chemischer und biologischer Waffen, das Verbot jeder Weltraumrüstung, die Begrenzung konventioneller Waffen und die Truppenreduzierung ein.

 

2. Weil die Konfrontation zwischen den Militärblöcken überwunden werden muss, sehen wir unsere besondere Aufgabe als Deutsche, dafür zu wirken, dass von deutschem Boden Frieden ausgeht.

 

3. Weil die Verteuflung des anderen die Gewaltbereitschaft erhöht, wollen wir uns der feindseligen Rhetorik gegen jedermann enthalten, uns gegenseitig ermahnen und andere dazu auffordern.

 

4. Weil alle Abgrenzung zwischen Menschen das Entstehen von Feindbildern fördert, wollen wir uns für mehr Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen einsetzen und dazu beitragen, dass viele Menschen unseres Landes die Bürger anderer Staaten in ihre Umgebung und mit ihren Problemen kennenlernen und besser verstehen.

 

5. Weil erst ein Staat, in dem mündige Bürger Mitverantwortung wahrnehmen können, den Friedensprozess in der Welt wirksam fördern kann, wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Mündigkeit der Bürger gestärkt wird durch sachgerechte Information, offene und öffentliche Diskussion und gemeinsame Suche nach Wegen in die Zukunft.

 

6. Weil wir lernen müssen, unsere Konflikte mit friedlichen Mitteln auszutragen, wollen wir mit der Friedenserziehung zu Hause beginnen und uns für die Friedenserziehung in Kindergarten, Schule und Gesellschaft einsetzen.

 

7. Den Frieden auch der anderen gefährden, wollen wir die Probleme in unserem Land offen ansprechen, nach ihren Ursachen suchen und zu ihrer Überwindung beitragen.

 

8. Weil Vertrauen und Freundschaft den Frieden fördert, wollen wir zur Verbesserung unseres Verhältnisses zu den Menschen in Osteuropa, insbesondere zu denen, die bei uns leben und arbeiten, beitragen.

 

9. Weil unser derzeitiges Verhältnis zu den armen Ländern und die ungerechte Weltwirtschaftsordnung eine ständige Gefahrenquelle und eine Bedrohung des Friedens sind, wollen wir uns für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung einsetzen. Ein kleines Zeichen können wir mit der Verwirklichung des 2%-Appells setzen.

 

10. Weil unser räuberischer Umgang mit der Natur den Frieden und das Leben unserer Kinder und Enkel bedroht, müssen wir uns einüben in einen Lebensstil, der unserer natürlichen Umwelt gerecht wird und Zukunft hat.“

 

Gedanken zur Einordnung und zum Weiterdenken:

1987 war die Zeit des Kalten Krieges und der Stationierung von atomaren Raketen zwischen Ost und West. In dieser Zeit legt die Bundessynode ein „Bekenntnis“ ab. Dadurch hebt sie ihre Botschaft aus der einfachen Verlautbarung eines üblichen Abschlussdokument als besonders wichtig, ja als „Bekenntnisfall“ heraus. Und mit der in der Tradition der Taufe verbundenen individuellen Praxis der „Absage“ an das, was dem Glauben widerspricht, weitet die Bundessynode hier die „Absage“ auf die gesellschaftliche Situation aus. 

Aus Gründen des Glaubens – 

den Glauben an Gott als den, dem wir das Leben verdanken, 

den Glauben an Gottes Handeln in Jesus Christus, 

den Glauben an Gottes Wirken im Heiligen Geist –

werden Geist, Logik und Praxis der Abschreckung abgelehnt, wird ihnen konsequent widersprochen. 

Darin sieht Kirche eine Frage des Bekennens. Der Bund Evangelischer Kirchen bleibt jedoch nicht bei einer Absage stehen, sondern entfaltet die Alternative: „Gemeinsame Sicherheit“. 

„Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein.“ Zugleich bezieht Kirche hier eine klare, gewaltfreie Position und benennt Wehrdienstverweigerung als einen „Ausdruck des Glaubensgehorsams“. Auch das ist Teil des Bekenntnisses. 

Seit wir der EKD angehören, ist damit Schluss. 

Die praktischen Schritte des „Bekennens“ werden an die Gemeinden weitergegeben.

1. Atomwaffenfreie Zonen: 

In Torgau haben wir mit Postkarten gearbeitet, auf denen das Ortseingangsschild

„Torgau“ zu sehen war und unter dem Stadtnamen „atomwaffenfreie Zone“ stand. Das hat die „Ordnungskräfte“ auf den Plan gerufen und Konsequenzen nach sich gezogen.

Im internationalen Rahmen setzte sich die DDR – Regierung für Abrüstung ein, doch wenn jemand im Landesinneren das auch tat, wurden die „Ordnungskräfte“ aktiv. So auch bei dem Symbol – Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ und dem Grafikerpreis von Gerhard Voigt, dessen Bild (Ein Mann zerbricht das Gewehr vor der Weltkugel.) von der UNO den 1. Preis bekam, aber in der DDR nicht verwendet werden durfte.

2. „..wirken, dass von deutschem Boden Frieden ausgeht.“ Erich Honecker hat offiziell davon gesprochen. Doch während er deshalb zur Festigung der Militärblöcke beitrug, geht Kirche den entgegengesetzten Weg. „Frieden“ - ein Wort, so unterschiedlich verstanden und so konträre Wege dahin. Befreiend: Das Machtmonopol der staatlichen Friedenspolitik erfährt hier eine Alternative und wird dadurch gebrochen.

3. Feindselige Rhetorik durch sachliche und menschliche Rhetorik ersetzen:

Kirche macht nicht mit, widerspricht und fordert andere dazu auf. Eine Unterlassung und offensive „Kampfansage“, die Bildung, Medien, Parolen u.a.m. betraf.

4. Begegnungsmöglichkeiten fördern: Hintergrund sind die Unfreiheit beim Reisen in westliche Länder vor allem, doch zunehmend auch in östliche Länder (wegen der Proteste in Polen, der Auswanderung nach Ungarn, in die CSSR, wegen des neuen Denkens in der Sowjetunion. 1989 war die DDR völlig isoliert.

Reise- und Begegnungsmöglichkeiten gehörten 1989 zu den zentralen Forderungen der friedlichen Revolution. Wie viele aus der Bevölkerung wollten einfach nur mal Reisen…!

5. Mitverantwortung mündiger Bürger, sachgerechte Information, offene und öffentliche Diskussion gemeinsame Suche nach Wegen…

In der DDR gab es keine Demokratie, sondern eine ideologisch untermauerte Diktatur (angeblich des Proletariats). Die Medien waren gleichgeschaltet und zensiert. Schulungen wurden verstärkt, Diskussionen waren nicht vorgesehen, weil die Wahrheit ja fest stand und klar war und nur noch durchgestellt werden musste. Gemeinsame Suche nach Wegen, Andersdenkende – dafür gab es aus Sicht der Staatsorgane weder Bedarf noch Übungsfelder. Insofern greift dieser Punkt das Zentrum des Systems an. Eine längst und immer wieder notwendige Relativierung des ideologischen Anspruchs und seiner durch Angst geschürten Durchsetzung – daher befreiend für die Basis.

6. Friedenserziehung: In den Bildungsstätten der DDR waren Wehrkunde und militärische Ausbildungen eingeführt worden. Die Kirchen konfrontierten damit die Bildungs- und Militärpolitik der DDR und deren monopolisierendes Friedensverständnis. Befreiend für die Gemeinden: Es gibt sie wirklich, die Alternativen, auch wenn sie Mut erfordern.

7. Schwelende Konflikte in der Gesellschaft: Die gab es nach offizieller Lesart nicht, weil es sie – systemimmanent – nicht geben durfte. Hier behauptet Kirche, dass die Wirklichkeit anders aussieht, also sie von der SED schöngefärbt wird.

Ein Angriff auf die sozialistische Gesellschaft, so wurde das offiziell aufgenommen. An der Basis kam diese Botschaft befreiend an.

8. Osteuropa steht hier im Mittelpunkt, weil von Deutschland Krieg in besonderer Weise dorthin getragen worden war, weil die DDR Möglichkeiten nach Osten hin entwickelt und begrenzt eröffnet hatte. Dass das Verhältnis zu den Menschen dort noch mehr Vertrauen und Freundschaft braucht, wird hier vorausgesetzt. Damit sind die offiziellen Kontakte, auch die „Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ als ungenügend und zu formell verdeutlicht. Eine befreiende Provokation von der Staatspolitik.

9. Eine gerechte Weltwirtschaftsordnung kam in der offiziellen DDR-Politik nur ganz begrenzt vor: Diese Länder müssen den Sozialismus annehmen, dann wird alles anders. Dafür sind Leute aus ärmeren Ländern in der DDR ausgebildet und vorbereitet worden.

Dass die ungerechte Weltwirtschaftsordnung nicht nur durch die DDR oder die sozialistische Wirtschaftsgemeinschaft hervorgerufen worden ist, wird hier nur angedeutet.

Dem  Gedanken des Weltsozialismus wird hier widersprochen und unabhängig von der Systemzugehörigkeit der Länder Hilfe gefordert. Mit dem 2%-Appell wird die Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen übernommen.

10. Bewahrung der Natur: In der DDR wurden die ökologischen Probleme zugedeckt. Die Bevölkerung bekam sie zu spüren und wenn sich jemand engagierte, dann kamen die „Ordnungskräfte“ zum Einsatz. Denn das Engagement war Sache der staatlichen Stellen – und die deckten die Probleme eben zu oder verursachten sie. Wenn hier von „räuberischem Umgang mit der Natur“ die Rede ist, dann wird hier eine scharfe und befreiende Kritik an der Umweltzerstörung in der DDR geübt.

Wer einmal diese konkreten Praxispunkte mit den auf Transparenten geschriebenen Forderungen während der friedlichen Herbstrevolution 1989 vergleicht, stellt große Übereinstimmung der zentralen Forderungen fest.

Und wer diese Praxispunkte einmal in das Jahr 2021 überträgt, ist überrascht, wie viele Punkte dem Sinn nach noch aktuell sind und fragt sich, welche dann verändert (verschärft?) werden müssen oder neu dazu genommen werden sollen.         

   Barbara und Eberhard Bürger
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1988/89 Ökumenische Versammlung in Dresden – Magdeburg – Dresden

„Friedensarbeit der Kirchen in der DDR – auszurangierendes Erbe oder Zukunfts-Ressource?“ so lautete das Thema der 13.Friedenswerkstatt am 23. 10. 2021 in Magdeburg, Hoffnungsgemeinde. Impuls 4

 

War das Engagement für Frieden, Umwelterhaltung, Menschenrechte, Gerechtigkeit a.a. bis 1987 vor allem von Basisgruppen ausgegangen und vom Bund Evangelischer Kirchen vor allem auf die Friedensfragen zugespitzt, so weitete sich das Engagement 1988 in der Ökumenischen Versammlung auf Basisgruppen und alle 19 Kirchen und kirchlichen Verbände in der DDR aus und fand seinen Niederschlag in 12 Dokumenten und in der laufenden Praxis.

Eine Zusammenfassung

Im Brief an die Gemeinden fassen die Delegierten die drei Kernsätze so zusammen:

„Wir bekennen uns zu unserer vorrangigen Verpflichtung,

Gerechtigkeit für alle Benachteiligten und Unterdrückten zu schaffen:

Wir bekennen uns zu unserer vorrangigen Verpflichtung,

dem Frieden mit gewaltfreien Mitteln zu dienen.

Wir bekennen uns zu unserer vorrangigen Verpflichtung,

Leben auf dieser Erde zu schützen und zu fördern.“

Herausforderungen der Zeit, Betroffenheiten, Gottes Ruf zur Umkehr, Bekenntnis von Schuld, eine Grundlegung im Schalom Gottes stehen am Anfang. Hier nur ein kurzer Einblick:

Eine Grundlegung

„Gottes Schalom meint das Ganzsein des Lebens in heilen Beziehungen, wie es in der Schöpfung angelegt ist und in Gottes rettendem Handeln hergestellt wird. 

Dies hat entscheidende Bedeutung für unseren heutigen Umgang mit der Wirklichkeit.

Die Ökologie lehrt nämlich, die Natur Als ein Geflecht von Kreisläufen zu verstehen, in das wir eingebunden sind.

Der Friede kann in unserer wechselseitig verflochtenen Welt nicht gegeneinander errüstet, sondern nur miteinander vereinbart werden, er muss also kommunikativ und kooperativ verstanden werden. 

Gerechtigkeit schließlich ist das gemeinschaftsgerechte Verhalten in der Überlebensgemeinschaft der Menschheit, in der auch die Rechte des einzelnen zur Geltung kommen müssen. Der Schalom Gottes ist eine geradezu revolutionäre Einweisung zu neuem Verhalten in dieser Wirklichkeit.“ 2.0.(20)

Eine Grundorientierung

„Der Weg dieses Friedens ist durch Gewaltfreiheit, Dienstbereitschaft und konfliktfähige Feindesliebe geprägt (Mt 5, 39ff; Mk 10, 42ff). Die Hoffnung auf eine gewaltfreie Friedensordnung, die sich im AT andeutet, wird durch Wort und Weg Jesu ins Zentrum gerückt und ist von der christlichen Gemeinde exemplarisch zu leben (Mi 4,1-5; Mt 5, 1-16). Das steht im scharfen Gegensatz zu dem Zwangs- und Gewaltfrieden des Römischen Reiches,… Gerade in der heutigen Situation, wo um der Humanisierung politischer Macht willen Gewalt abgebaut werden muss, kommt dem gewaltfreien Friedensweg Jesu neue politische Bedeutung zu.“ 2.2. (34)

Der Krieg als nicht taugliches Mittel internationaler Konfliktlösung, das Abschreckungssystem – sie erfordern Abrüstung und den Übergang zu einem System politischer Friedenssicherung. Schalom als Beziehungswirklichkeit weist auf ein kommunikatives, kooperatives Friedensverständnis. Eine politische Entsprechung dazu bildet das Konzept der ‚Gemeinsamen Sicherheit‘. Es besagt, dass der Friede nicht gegeneinander errüstet, sondern nur miteinander vereinbart werden kann.“ 2.2.(35)

Die Lehre vom gerechten Krieg muss wirklich ausgeschaltet und durch eine Lehre/Praxis vom gerechten Frieden ersetzt werden, die gemeinsam mit Anderen zu entwickeln ist. „In der Zeit des Übergangs bis zu einem umfassenden System poli9tischer Friedenssicherung treten wir vorrangig für gewaltfreie Wege des Friedensdienstes ein. Zwar ist der Wehrdienst mit der Waffe mit dem Ziel der Kriegsverhütung im Prozess der Abrüstung als vertretbarer Weg für Christen noch nicht auszuschließen, aber der gewaltfreie Weg des Friedens Christi und die schon erkennbare politische Vernünftigkeit gewaltfreier Konfliktregulierung weisen Kirchen und Christen vorrangig auf gewaltfreie Wege des Friedensdienstes.

Als Grundorientierung in den Fragen des Friedens vertreten wir deshalb eine vorrangige Option für die Gewaltfreiheit.

Sie ist geltend zu machen in öffentlicher Urteilsbildung und Stellungnahme, wie in der Beratung Wehrpflichtiger und dem Eintreten für einen alternativen zivilen Dienst. In der Friedenserziehung finden sie ihren Ausdruck in der Überwindung von Vorurteilen und Feindbildern und der Befähigung zu friedlicher Konfliktlösung, Sie leitet die Kirchen in ihrem Bemühen, Kirchen des Friedens zu werden, dazu an, in all ihrem Engagement selbst dem gewaltfreien Friedensweg Jesu zu folgen.“ 2.2. (37)

Die Menschheit ist zu einer verflochtenen Überlebensgemeinschaft geworden und muss Konflikte politisch lösen, so dass auch Schwächere geschützt werden und zu ihrem Recht kommen. Ökumenisch kann Frieden stärker unterstützt, die UN gestärkt, internationales Recht und rechtliche Instrumente mit geschaffen werden. 

Hier wird die Verpflichtung von Christen und Kirchen für einen ökumenischen Friedensdienst ausgesprochen: „Dieser ökumenische Friedensdienst entspricht der Priorität, die heute der menschlichen Überlebensverantwortung vor allen partikularen Interessen zukommt. In ihm verwirklicht sich zugleich die vorrangige Option für die Armen, die Gewaltfreiheit und den Dienst für den Schutz und die Förderung des Lebens.“ 2.2. (38)

 

Ergebnistexte der ÖV zu Frieden (Übersicht)

4. Der Übergang von einem System der Abschreckung zu einem System der politischen Friedenssicherung

5. Orientierungen und Hilfen zur Entscheidung in Fragen des Wehrdienstes und der vormilitärischen Ausbildung

6. Aspekte der Friedenserziehung

7. Kirche des Friedens werden

Zum Ergebnistext 4. Der Übergang von einem System der Abschreckung zu einem System der politischen Friedenssicherung

„Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt“, ruft Jesus beim Anblick von Jerusalem aus. (Lk 19, 42)

„Wir leben in einer Zeit des Übergangs, in der die Abschaffung der Institution des Krieges in Europa und weltweit geboten, vielleicht erstmals in der Menschheitsgeschichte …auch möglich wird. Wir brauchen eine neue Friedensordnung, und die Wege zu ihrer Realisierung zeichnen sich ab:

-Verzicht auf den Einsatz militärischer Gewalt als Mittel der Konfliktlösung, 

-Abbau der immer unkontrollierbarer werdenden und nicht länger zu verantwortenden Waffenarsenale und zugleich 

-Entwicklung stabiler politischer Instrumentarien des Interessenausgleichs, der Vertrauensbildung und der Stärkung des Bewusstseins der gemeinsamen Verantwortung.“ 4.1. (1)

So legitim ein Sicherheitsinteresse ist: „Unsere gegenwärtigen Sicherheitssysteme und Mittel zu ihrer Aufrechterhaltung sind…Ausdruck einer absoluten Perversion von Sicherheit. Auf militärischem Gebiet hat diese Pervertierung Gestalt gewonnen im Prinzip der Abschreckung durch Massenvernichtungswaffen, das auf dem unkalkulierbaren Risiko einer in sich widersprüchlichen Drohung mit gesicherter gegenseitiger Zerstörung beruht. Seine Folgen stehen uns deutlich vor Augen:

 

- Das Wissen um die Möglichkeit der gegenseitigen Zerstörung hat immer wieder zu Versuchen geführt, Erstschlags-Kapazitäten und damit die Fähigkeit zum Sieg zu erlangen. Jeder solcher Versuche Hat in sich die Tendenz zu offensiven Kriegsführungsstrategien.

- Das Abschreckungssystem wird darum ständig mit innerer Notwendigkeit durch einen immensen Rüstungswettlauf stabilisiert. Die dadurch gewonnene scheinbare Sicherheit bringt auch ohne Krieg Vernichtung durch Verelendung großer Teile der Welt und durch die wachsende Unfähigkeit, lebensbedrohliche ökologische Probleme zu lösen.

- Im Zuge des Rüstungswettlaufs werden die militärischen Mittel zur Gewinnung der scheinbaren Sicherheit zunehmend automatisiert – von der ‚Vorwarnung‘ bis zum ‚Einsatz‘. Im Fall einer Krisensituation wird der Ausbruch eines Nuklearkrieges durch technisches oder menschliches Versagen zunehmend wahrscheinlich….

Wir erteilen Geist, Logik und Praxis der auf Massenvernichtung gegründeten Abschreckung eine Absage.“ 4.1. (3)

Der endgültige Verzicht auf Massenvernichtungsmittel ist angesagt!

Die KSZE-Verhandlungen sind hoffnungsvolle Anfänge für eine Welt ohne Massenvernichtungswaffen.

- „Förderung gewaltfreier Formen und Strukturen zum Umgang mit Konflikten und Förderung einer Kultur des öffentlichen Streits und der aktiven Mitverantwortung der Bürger im eigenen Land.“

„Friedenssicherung auf der Grundlage der gemeinsamen (und gegenseitigen) Sicherheit ist etwas so Neues und weit über den militärischen Bereich Hinausgehendes, dass eine Veränderung des Denkens, der Wertvorstellungen und ihrer Umsetzung in allen Lebensbereichen grundsätzlich neu gelernt und immer wieder konkret neu buchstabiert werden muss. Damit können unsere Kirchen die ‚Abrüstung von unten‘ fördern, die den europäischen und den weltweiten Prozessen Handlungsspielräume eröffnet, aber auch Nachdruck verleiht.“ 5.1. (21)

Für Christen, Gemeinden und Kirchenleitungen sind in (22) – (24) konkrete Schritte benannt:

- zeichenhaftes Handeln

- Gespräch mit Menschen anderer Überzeugungen

- partnerschaftliches Miteinander in Gemeinden und Ökumene einüben

- ausdauernd für eine gerechte Friedensordnung in Europa beten

- Bewusstsein für die Aufgaben politischer Friedenssicherung wecken durch Information und Öffentlichkeitsarbeit

- ökumenische Partnerschaften

- Wissenschaftler und Ingenieure ermutigen, friedensethische Kriterien für ihr berufliches Handeln zu erarbeiten

- mutige Schritte zur Verbreitung neuer Ideen und friedensfördernder Initiativen zu gehen

- unermüdlich das Gespräch mit Verantwortlichen aus Staat und Gesellschaft zu suchen, um der politischen, auf Gewalt immer mehr verzichtenden Friedenssicherung nach innen und außen zu dienen

- die Gemeinschaft mit anderen Kirchen als unverzichtbares Element der Vertrauensbildung stärken

„Zeichen für diesen Übergang sind unübersehbar. Völker, Staaten und Bündnissysteme beginnen, sich ein neues Verständnis von Sicherheit anzueignen. Sicherheit ist nicht mehr gegen den ‚Gegner‘ zu erreichen, sondern nur noch mit ihm zu gewinnen.“ 4.1. (4)

 

Erste Schritte sind durch Vereinbarungen über bestimmte Waffen, durch die KSZE-Konferenzen über vertrauensbildende Maßnahmen usw. gegangen worden. Im Rahmen der KEK wollen die Kirchen der DDR weiterhin ihren Beitrag dazu leisten. 

Ein System gemeinsamer Sicherheit in Europa, auch in Kooperation mit der UNO, hat unverzichtbare Bestandteile. 

 

Zu Ergebnistext 5. Orientierungen und Hilfen zur Entscheidung in Fragen des Wehrdienstes und der vormilitärischen Ausbildung

5.1. Biblisches Zeugnis

„(1) Jesus hat Gottes Reich als ein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe für alle Menschen angekündigt und damit Hoffnung für eine neue Menschen-Gemeinschaft begründet. Er hat Gottes Reich in seinem Verhalten verwirklicht und wurde so zum Maßstab für das Verhalten seiner Jünger zu ihren Mitmenschen.“ 

Es wird verwiesen auf das Liebesgebot (Joh 13, 34), die Bergpredigt (Mt 5, 21-22; Mt 5,44; Lk 23, 34; Mt 5,5; Mt 5,9). 

„Die Heilige Schrift zeichnet den Menschen aber auch als dem Bösen verfallen und als Sünder (1. Kön 8, 46; Röm 7, 21 – 25). Durch die Erlösungstat Jesu Christi, der unser Friede ist (Eph 2, 14), sind wir den Mächten der Sünde und des Todes nicht mehr hoffnungslos ausgeliefert, sondern vermögen in der Kraft des Glaubens Schritte zum verheißenen Frieden zu gehen (Jes 53, 5; Eph 2, 16-17).“

5.2. Zur Situation

Ausgehend von der geschichtlichen Verantwortung Deutschlands in 2 Weltkriegen hätte eine besondere Friedenspflicht Deutschlands erwachsen müssen. Stattdessen wurde in beiden Teilen gerüstet und das Maß an Rüstung, was der Sicherheit dienen sollte, bei weitem überschritten. Doch mitten in der gegenseitigen Abschreckung gibt es zwar Ansätze zu neuer Begrenzung, doch die Situation bleibt lebensgefährlich und tötet schon heute. „Friedenssicherung mit ausschließlich politischen Mitteln ist nur im Rahmen gemeinsamer Sicherheit denkbar.“

In dieser Situation gehen junge Menschen zu den Baueinheiten, verweigern total oder leisten den geforderten Wehrdienst ab.

„Alle Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften halten heute Krieg für kein geeignetes und zulässiges Mittel der Konfliktlösung. Sie anerkennen, dass waffenloser Dienst in den Baueinheiten und Wehrdienstverweigerung Zeugnisse für eine Welt ohne militärische Gewaltanwendung sind.“

5.3. Orientierungen

„(4) Das biblische Zeugnis (1.) und die verschiedenen Faktoren unserer heutigen Situation (2.) erfordern ein neues Nachdenken über die Fragen des Wehrdienstes. … 

Das Evangelium zeigt uns den Weg Jesu als Weg der Liebe, für den die Gewaltfreiheit ein entscheidendes Kennzeichen ist. Sein Weg führt ihn gerade auch deshalb ans Kreuz, weil er gegenüber seinen Gegnern verzichtet, seine Botschaft mit einem göttlichen Machterweis durchzusetzen. Wer im Vertrauen auf diesen Weg in unserer Welt auf die Androhung und Anwendung von Gewalt verzichtet, bezeugt damit den unter uns schon gegenwärtigen Frieden Gottes in der Welt, in der das Unrecht noch nicht überwunden ist. Er handelt im Vorgriff auf das verheißene Friedensreich Gottes. Diesen Weg erkennt die Kirche als eine Gestalt der Nachfolge Jesu, die in ihrer Deutlichkeit von keiner anderen Entscheidung übertroffen wird. Zugleich sieht sie die aus dem Liebesgebot sich ergebende Verpflichtung, um anderer willen gegen auftretendes Unrecht Widerstand zu leisten.

Unter 4. werden mögliche Entscheidungen mit ihren Konsequenzen und notwendige Hilfen bedacht. Unter 5. Geht es um die gegenseitige Achtung der Gewissensentscheidungen und den Einsatz für diejenigen, die wegen ihrer Entscheidung leiden oder benachteiligt werden. 

 

Zu Ergebnistext 6. Aspekte der Friedenserziehung

Im „Ausblick“ dieses Teiles heißt es:

„Aus der gemeinsamen Bedrohung zu gemeinsamem Handeln zu finden, verlangt eine neue, globale Sicht, ein Hinausgehen über Einzel-, Gruppen- und Staatsinteressen, die Absage an vorurteilsgestützte und durch Feindbilder aufrechterhaltene Konfrontation.

Friedenserziehung muss uns befähigen, den bisherigen Gegner in seiner ökonomischen, kulturellen und sozialen Andersartigkeit zu sehen und anzunehmen. Sie umfasst auch das Vermitteln der Reichtümer und Sehweisen des anderen und die Bereitschaft, sich in Frage stellen zu lassen.

Wir Deutschen haben beispielloses Unrecht über Europa gebracht, das seine schrecklichste Steigerung in der Verweigerung des Existenzrechts gegenüber den Juden fand. Vor uns steht deshalb in besonderer Weise die Aufgabe, andere Menschen und Völker nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung anzusehen. Beginnend mit kleinen Schritten wollen wir in der Nachfolge Jesu zu einem umfassenden Prozess der Ent-Feindung in unserem zerrissenen Europa beitragen.“ 6.5. (30)

 

Zu Ergebnistext 7. Kirche des Friedens werden

Für Kirchen, die sich auf den Weg des Friedens machen, gilt:;

„1.1. Kirche des Friedens werden heißt, das zu leben, was die Kirche durch das Gnadenangebot Gottes in Jesus Christus eigentlich schon immer ist: Versöhnungs-Geschehen zwischen Gott und Mensch, geschwisterliche Gemeinschaft zwischen Menschen, Friedenszeichen trotz fortbestehender Feindschaften in dieser Welt. Frieden ist nicht zuerst eine ethisch-moralische Verpflichtung der Kirchen, sondern eine in Christus geschenkte Wirklichkeit, die sie überhaupt erst zur Kirche macht.

1.2. Unsere Kirchen erscheinen vielen Menschen nicht als Kirchen des Friedens. Ihr Gespaltensein und ihr Verflochtensein in Ungerechtigkeiten zwischen Reichen und Armen, zwischen Weißen und Farbigen, zwischen den Generationen und Geschlechtern machen sie als Zeichen des Friedens undeutlich und wenig Gemeinschaften, sondern als Orte ängstlicher Abgrenzung und Unbeweglichkeit, aber auch nicht zu hinterfragender Herrschaftsansprüche.

Kirche des Friedens werden heißt deshalb, versöhnungsbereiter, menschenfreundlicher, veränderungsfähiger zu werden, heißt umzukehren in die Nachfolge Christi.

1.3. Im Umkehren erfahren wir neu, dass wir trotz noch fortbestehender Trennungen im Versöhnungshandeln Christi tief miteinander verbunden sind. Wir hoffen auf Kirchen, die sich durch ihre Umkehr zum Frieden Christi erneuern und darin auch ihre Trennungen überwinden.“ 7.1. (1)-(3)

Was bedeutet es für uns, Kirche des Friedens zu werden?

1. Kirche des Friedens werden heißt, die Last der Geschichte anzunehmen und Schuld zu bekennen. 

2. Kirche des Friedens werden heißt, den Platz der Kirchen in unserem Land zu erkennen und anzunehmen.

3. Kirche des Friedens werden heißt, im weltweiten ökumenischen Horizont zu denken und zu handeln.

4. Kirche des Friedens werden heißt, ein gemeinsames, verbindliches Zeugnis zu geben. 

 

Nachbemerkung

Allein dieser Mittelteil der 12 Dokumente bedeutete ein ganz eigenständiger Weg von Friedensverantwortung und Friedensarbeit. Dazu kamen ja die Stellungnahmen zu den Bereichen Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, die ihrerseits noch erhebliche Bündel von gesellschaftlichem Sprengstoff zündeten. In der Folge der Ökumenischen Versammlung setzte sich das Ziel eines „gerechten Friedens“ im ökumenischen Gespräch als künftige Perspektive durch und wird seitdem verwendet (z.B. „Kirche des gerechten Friedens werden“).

 

In Wikipedia heißt es zusammenfassend weiter: 

„Eine der Kräfte, die die Wende in Politik und Gesellschaft im Herbst 1989 mit herbeigeführt haben, war die Ökumenische Versammlung in Dresden und Magdeburg. Ihre Themen waren Programm: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.“  Bereits am 2. Februar 1988 befürchtete das Zentralkomitee (ZK) der SED, dass da „eine politisch feindliche Plattform zurechtgezimmert werden könnte“ und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) nannte die ersten Textentwürfe „den aktuellsten komplexen Forderungskatalog hinsichtlich gesellschaftspolitischer Veränderungen in der DDR.“ 

„Leitungsgremien verschiedener Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften machten sich die Ergebnisse der ÖV zu eigen. Entscheidend für die Nachwirkung der ÖV waren aber die Delegierten, Berater und Freunde der ÖV, die als Multiplikatoren nicht nur in den Kirchgemeinden, sondern auch im säkular politischen Bereich wirkten. Beispielhaft seien einige prominente Persönlichkeiten genannt, die in der ÖV mitgearbeitet hatten und die friedliche Revolution 1989 und die Nachwendezeit maßgeblich und in vielfältiger Weise mitgestalteten: Christof Ziemer und Heino Falcke (Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums der ÖV), Michael Beleites, Erika Drees, Karl-Heinz Ducke, Hans-Jürgen Fischbeck, Thomas Küttler, Markus Meckel, Rudi-Karl Pahnke, Sebastian Pflugbeil, Walter Romberg, Friedrich Schorlemmer, Richard Schröder. Viele von ihnen haben im September und Oktober 1989 politische Aktionsbündnisse und Parteien gegründet bzw. diese inhaltlich geprägt: Neues Forum, Demokratischer Aufbruch, Demokratie Jetzt, Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP).

 

Die Themen des konziliaren Prozesses fanden Eingang in staats- und kirchenpolitische Dokumente. Beispielsweise hat die Ost-CDU in ihren Positionen der CDU zu Gegenwart und Zukunft in der Präambel formuliert: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sind ihre politischen Ziele. In der Präambel der Verfassung des Freistaates Sachsen (vom 27. Mai 1992) heißt es: „...von dem Willen geleitet, der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung zu dienen, hat sich das Volk im Freistaat Sachsen dank der friedlichen Revolution des Oktober 1989 diese Verfassung gegeben.“ In Artikel 2 (Abs. 6) der Verfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (vom 5. Juli 2008, Artikel 2 Abs. 6) wurde erklärt: „Sie [die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland] setzt sich im Vertrauen auf Gottes Verheißung ein für die Bewahrung der Schöpfung und die Gestaltung des Lebens in der einen Welt in Gerechtigkeit und Frieden.“ 

Das lässt immerhin hoffen und daran knüpfen wir weiter an. 

Barbara und Eberhard Bürger
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„Friedensarbeit der Kirchen in der DDR – auszurangierendes Erbe oder Zukunfts-Ressource?“ so lautete das Thema der 13.Friedenswerkstatt am 23. 10. 2021 in Magdeburg, Hoffnungsgemeinde. Heute im letzten Teil dazu: Impuls 5

Aktualisierende Auslegung des Artikels 16 des Augsburgischen Bekenntnisses (1530) 

vom Bund Evangelischer Kirchen in der DDR vom 29. Mai 1989

Bekenntnisschriften haben in den Kirchen normierende Bedeutung, geben also Weisungen für Richtung und zur Orientierung. Das gilt auch für das Augsburger Bekenntnis von 1530, in dem die Lutherischen vor Kaiser und Reich ihre neue Lehre als gesellschaftsfähig präsentierten und auf deren Anerkennung angewiesen waren. Vor allem Philipp Melanchthon hat an diesem Bekenntnis gearbeitet, doch auch Luther steuerte die Verhandlungen von der Ferne, von Coburg aus, wo er wegen des Banns auf der Veste bleiben musste. Im Artikel 16  (CA 16) des Bekenntnisses geht es um das gesellschaftliche Engagement von Christen. Die Fassung von 1530 kann heute nicht mehr geteilt werden. Eine neue Interpretation des Sinnes des Bekenntnisses ist dringend erforderlich, weil Christen durchaus nicht „rechtmäßig“ „Krieg führen, in Kriegen mitstreiten, Todesurteile vollstrecken, Eide schwören …“ dürfen. Dass der BEK diese Auslegung veröffentlichte, zeigt den gewandelten Geist zu einer Kirche des Friedens und weist Christen in eine neue Richtung. 

 „1. Die ständige Bedrohung allen Lebens durch die Gefahr eines atomaren Krieges hat Christen in wachsender Zahl zu der Erkenntnis geführt, dass die Aussage von Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses nicht mehr nachvollziehbar ist, wonach ‚Christen … ohne Sünde...rechtmäßig Kriege führen und an ihnen teilnehmen‘ können.

Die dahinter stehende Lehre vom ‚gerechten Krieg‘ war eigentlich darauf gerichtet, den Frieden zu fördern und das Recht zu wahren, indem sie Kriege zu vermeiden oder zu begrenzen suchte. Sie ist jedoch zur Rechtfertigung von Kriegen missbraucht worden. Überdies hat sich die Situation von damals durch die Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln grundlegend verändert. Deshalb bedarf CA 16 einer aktualisierenden Auslegung, damit das Bekenntnis und das Friedenszeugnis der an dieses Bekenntnis gebundenen Kirchen glaubwürdig bleiben. CA 16 heute zur Geltung zu bringen bedeutet, das Bekenntnis weder zu verändern noch außer Kraft zu setzen. Es erfährt angesichts neuer Herausforderungen eine Auslegung, die in der Bindung an das Bekenntnis erfolgt.

Das Augsburger Bekenntnis selber hat seine Aufgabe darin gesehen, aktualisierende Auslegung der Heiligen Schrift und Wegweiser zu ihrem Verständnis zu sein. Es hat das apostolische Zeugnis in seiner biblischen Überlieferung in der Gemeinschaft der Kirche Christi neu vergegenwärtigt. Die situationsbezogene Auslegung war dem Augsburger Bekenntnis  dabei ebenso wichtig wie der Erweis der Kontinuität mit Schrift und Tradition.

2. In dieser Erkenntnis und in Aufnahme der entscheidenden Aussagen von CA 16 erklären wir heute:

- Nicht die Weltflucht, sondern die Weltverantwortung gehört zum verbindlichen Zeugnis des Glaubens. Mit den Vätern der Reformation bejahen wir, dass der Glaube unabdingbar zum Handeln führt. Dies haben wir in Gehorsam gegenüber unserem Herrn in den konkreten Bereichen des Lebens und der Gesellschaft in Zeugnis und Dienst für andere zu bewähren.

-  Die von Gott geschaffene ‚gute Ordnung‘ (CA 16) zielt auf die Bewahrung seiner Schöpfung. Angesichts ihrer drohenden Zerstörung haben wir Gottes ‚gute Ordnung‘ heute darin zu bezeugen, dass wir dem weltweiten Zusammenhang von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung Geltung verschaffen.

- Im atomaren Zeitalter kann daher Krieg kein zu rechtfertigendes Mittel der Politik mehr sein. Angesichts nuklearer Hochrüstung kann es nicht mehr um die Frage gehen, ob und wann ein Krieg gerechtfertigt ist, sondern nur noch darum, wie er verhindert werden kann.

- Um den Frieden zu erhalten und Völkermord, Rassendiskriminierung, unerträgliche Gewaltherrschaft und Freiheitsberaubung auszuschließen, bedarf es einer internationalen Rechtsordnung, in der allgemein verbindliche Normen gelten. Solange eine solche übergreifende Rechtsordnung nicht wirksam geworden ist, sehen wir nationale Befreiungsbewegungen als den Versuch an, mehr Gerechtigkeit für Unterdrückte anzustreben.

3. In unseren Glauben an den dreieinigen Gott als dem Schöpfer, den Versöhner und Erneuerer bekennen wir heute:

- Durch Jesus Christus ist Gottes Frieden in die Welt gekommen. Als Werkzeug seines Friedens wissen wir uns von ihm in Dienst genommen. Gottes Auftrag verpflichtet uns zur Bewahrung der Schöpfung.

- Massenvernichtungswaffen sind gegen Gottes Wort und Gebot. Menschen haben kein Recht zur Zerstörung der Schöpfung. Wir widersetzen uns deshalb allen Versuchen, Kriege zu rechtfertigen.

- Um Gottes Frieden und der Menschen willen ist der Krieg abzuschaffen. Es kann in der Welt kein Frieden erreicht werden, wenn nicht gleichzeitig Gerechtigkeit für alle Menschen angestrebt wird. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass der Krieg als Mittel der Politik durch eine in der ganzen Welt geltende und durchzusetzende Ordnung gerechten Friedens ersetzt wird.

- Um Gottes und der Menschen willen ist uns heute der Dienst für den Frieden geboten. Als Christen wollen wir Schritte wagen, die zu einer Ordnung gerechten Friedens führen. Das schließt verantwortliche Zusammenarbeit mit anderen ein. Wir unterstützen alle, die sich zeichenhaft für eine Welt ohne Waffen einsetzen.“

Seit ich dem VB angehöre (1990), habe ich an Stellungnahmen und Briefen mitgearbeitet, damit EKD und Landeskirchen eine aktualisierende Interpretation veröffentlichen. Wir haben Vorschläge z.B. für ein Einlegeblatt gemacht. 

Auf unsere Briefe an die EKD und die Landeskirchen haben wir nicht einmal eine Antwort erhalten. Vor allem Thomas Nauerth war weiterhin besonders aktiv. Vor der EKD-Synode 2019 in Dresden zu Fragen des Friedens haben wir vom Hausener Friedenskreis in der EKM Kontakt mit unseren Delegierten aufgenommen. Der Regionalbischöfin von Gera-Weimar, Frau Dr. F. Spengler, lag das Thema ebenfalls am Herzen und sie brachte den Antrag zur Neuinterpretation ins Plenum. Von dort wurde er an die VELKD (Vereinigte Evangelische Kirche in Deutschland) und die UEK (Unierte Evangelische Kirche = Gemeinschaft von Lutherischen und Reformierten) verwiesen. Bislang war nichts davon zu hören, dass er bearbeitet worden wäre und zu einem Ergebnis geführt hätte. In der EKM jedoch entstand ein heftiger Streit darüber, man könne doch Dokumente der Kirche und dazu noch die Bekenntnisschriften nicht verändern. Wer wollte das? Niemand. Nur bewirkte der Streit, dass die eigentlichen inhaltlichen Fragen vom Tisch verschwanden und der Nebenschauplatz bedient wurde. 

 

2020 kam aus einer Bremer Gemeinde folgender Vorschlag für ein Einlegeblatt:

„Mit dem Augsburger Bekenntnis bekundeten die Theologen der Reformation die Übereinstimmung ihrer Lehre mit der Hl. Schrift und mit den grundlegenden Bekenntnissen der Alten Kirche. In Artikel 16 befürworteten sie entschieden die gesellschaftspolitische Verantwortung der Christen, grenzten sich zugleich scharf ab von radikalen Strömungen der Reformation, die im Blick auf das Weltende jede weltliche Ordnung -selbst Ehe und Eigentum - als unchristlich ablehnten. Das Verdammungsurteil traf aber auch die evangelische Minderheit, die unter Berufung auf die Bergpredigt Jesu nicht bereit war, Kriegsdienst zu tun oder einen Eid zu schwören. Das hatte böse Folgen: Pazifistische Gemeinden wie die Mennoniten und die Quäker, wurden im 16. und 17. Jahrhundert auch in evangelischen Landen von Kirche und Staat verfolgt. Die Fürsten aber sahen in der Formulierung „rechtmäßig Kriege führen“ eine grundsätzliche Legitimierung des Krieges als Mittel der Politik. 

Erst die Schrecken des zweiten Weltkrieges und der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki führten die evangelischen Kirchen zum Umdenken. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, formulierte 1948 die Weltkirchenkonferenz von Amsterdam. Heute sind wir der „Überzeugung, dass Krieg nicht länger als ein Mittel Konflikte zu lösen hingenommen werden kann“, sondern dass wir in der Nachfolge Jesu auf den Weg der Gewaltfreiheit gerufen sind, um Gewalt zu überwinden.

Martin-Luther-Gemeinde Bremen-Findorff, Neukirchstraße 86, 28215 Bremen“

Auch wir vom VB und vom Hausener Friedenskreis der EKM bleiben dran!

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„Friedensarbeit der Kirchen in der DDR – auszurangierendes Erbe oder Zukunfts-Ressource?“ so lautete das Thema der 13.Friedenswerkstatt am 23. 10. 2021 in Magdeburg, Hoffnungsgemeinde. In 5 Folgen haben wir von diesem Erbe berichtet, das uns nicht nur zur Friedenswerkstatt, sondern schon die 33 Jahre davor bewegt hat. Wie geht es Dir und Euch eigentlich, wenn Du/Ihr dieses Erbe neu/wieder wahrnimmst? Wir würden uns ja über Reaktionen freuen! Buerger.arendsee@gmx.de

Gibt es etwas, was auch aus Eurer Sicht bewahrt und weiterentwickelt werden sollte? 

Was vom Erbe sollte ausrangiert oder ganz neu bedacht werden?

 

Aus solcher Tradition kommen wir und denken sie für heute auch laut weiter, wenngleich das ja nach CA 16 nicht sein darf: „Hiermit werden die verdammt, die lehren, dass das oben Angezeigte unchristlich sei.“ 

Dazu heißt es im Evangelischen Gesangbuch in der Sternchen-Anmerkung zu CA Artikel 1, also summarisch auch für CA 16 geltend: „Diese Verurteilungen wollen das Evangelium vor Entstellungen bewahren, richten sich aber nicht gegen den persönlichen Glauben bestimmter Menschen“. Nur: Für uns ist dieses Erbe keineswegs nur „persönlicher Glaube“, sondern Ergebnis eines Bundes Evangelischer Kirchen und eines ganzen ökumenisch-konziliaren Prozesses. 

Wir haben die Haltung von manchen EKD-Beamten und Grundpositionen der EKD (z.B. in der Friedensdenkschrift von 2007 und der Kundgebung von 2019) sowie des Evangelischen Kirchentages verschiedentlich erlebt und empfinden sie bisher noch als Ausgrenzung und Verschweigen dieses Erbes.

Doch uns liegt am Herzen, dass das nicht so bleibt, sondern dass gemeinsam neue Wege zu einem gerechten Frieden und zu einer engagierten Mitweltbewahrung gefunden werden. 

Deshalb erinnern wir erneut an dieses Erbe, das ein Teil der Zukunft werden kann, und teilen es mit Euch. Für Eure Aufmerksamkeit danken wir herzlich! 

Barbara und Eberhard Bürger